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Sonderband der Mühlhäuser Beiträge Nr. 33

Über 1.300 Frauen und Männer wurden unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in den beiden Außenlagern des KZ Buchenwald in Mühlhausen am Stadtwald und am Wendewehr gefangen gehalten, ausgebeutet, gequält, gedemütigt. Viele weitere Menschen mussten in Mühlhausen Zwangsarbeit leisten.

Die Geschichte ihres Martyriums in unserer Stadt werden von Dr. Marc Bartuschka in einem neuen Sonderband der Mühlhäuser Beiträge mit dem Titel „Zwischen Auschwitz, Bergen-Belsen und Todesmarsch – Die KZ-Außenlager in Mühlhausen“ umfassend dargestellt.

Die Studie ist im regulären Buchhandel und in der Touristinformation Mühlhausen erhältlich.
In der Stadtbibliothek stehen Exemplare zur Ausleihe bereit.

Mühlhäuser Beiträge: Sonderband 33
Zwischen Auschwitz, Bergen-Belsen und Todesmarsch. Die KZ-Außenlager in Mühlhausen
Marc Bartuschka

Preis: 14,90€
ISBN 978-3-935547-93-2

Zwischen Auschwitz, Bergen-Belsen und Todesmarsch. Die KZ-Außenlager in Mühlhausen 1944/45

Dr. Marc Bartuschka

Inhaltlicher Überblick zum Sonderband der Mühlhäuser Beiträge

Das Forschungsprojekt, dessen Ergebnis im neuen Sonderheft der Mühlhäuser Beiträge vorliegt, sollte aufbauend auf bisherigen Untersuchungen die Geschichte der beiden KZ-Außenlager in der Stadt Mühlhausen umfassend untersuchen und darstellen. Dabei galt ein besonderes Augenmerk der Erweiterung der Quellenbasis, namentlich auf der Suche nach bisher unbekannten Zeitzeugenberichten. Letzteres gelang vor allem durch die Nutzung ausländischer Archive und Einrichtungen. Hervorzuheben ist besonders das Visual History Archive der USC Shoah Foundation, University of Southern California. Von Nutzen waren unter anderem die Kontakte mit der Gedenkstätte Yad Vashem, dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington (welches u. a. einen umfangreichen Bericht des ehemaligen Häftlingsarztes des Mühlhäuser Männerlagers „Martha“ bereitstellte) und dem Fortunoff Video Archive of Holocaust Testimonies der Yale University. Allein diese vier Institutionen stellten mehr als 70 Interviews und Aussagen von ehemaligen Gefangenen in acht unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung.

Parallel dazu wurden herkömmliche Quellen im Umfang von ca. 5.000 gedruckten und 15.000 digitalisierten Dokumenten aus deutschen Archiven ausgewertet, vor allem über die Online-Datenbanken des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen. Diese ermöglichten unter anderem die vollständige namentliche Erfassung der Insassen der beiden Mühlhäuser Außenlager: mehr als 1.350 Männer und Frauen, deren Namen am Ende des Buches zu finden sind. Sie konnten in vielen Fällen durch zusätzliche Angaben zu ihrer Vorgeschichte, ihr Weg durch die deutschen Lager und ihr weiteres Schicksal ergänzt werden.

Das Sonderheft ordnet die Geschichte der Mühlhäuser Außenlager in den breiten Kontext der NS-Zwangs- und Sklavenarbeit der Kriegsjahre ein. Die Untersuchung schildert zunächst Ausmaß und Erscheinungsformen des Einsatzes ziviler Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in Mühlhausen als Vorgeschichte der Außenlager. Hierbei liegt ein besonderer Fokus auf dem Rüstungswerk der Gerätebau GmbH (später Standort eines KZ-Außenlagers mit jüdischen Frauen). Bei der Gerätebau gestalteten sich die Zustände zeitweilig derart katastrophal, dass sich sogar die Behörden des „Dritten Reiches“ genötigt sahen einzugreifen, damit die systematische Misshandlung von Zwangsarbeiterinnen und Unterschlagung ihrer Lebensmittelrationen nicht die Kriegsproduktion gefährdeten.

Darauf aufbauend folgt die Darstellung der Geschichte der beiden Außenlager in Mühlhausen. Handwerklich wurde ein hierbei ein narrativer Ansatz gewählt. Um die Gefangenen sowohl des Frauen- als auch des Männerlagers für den Leser als Einzelpersonen fassbar zu machen und jüngere Leser anzusprechen, werden detaillierte summarische Schilderungen der Lebensumstände (etwa zur Anzahl der Gefangenen, ihrer Herkunft, Arbeitszeiten, Unterbringung, Versorgung etc.) durch erzählerische Episoden ergänzt, die anhand der Augenzeugenberichte rekonstruiert werden konnten. Naturgemäß führt dies zu einem gewissen Ungleichgewicht zugunsten der weiblichen Gefangenen, da von ihnen dank der systematischen Forschungsarbeit zu den Opfern des Holocaust weit mehr Berichte vorliegen als zu den mehrheitlich nichtjüdischen Häftlingen des Männerlagers.

Die Untersuchung konnte die Hintergründe mehrerer wachhabender Personen (namentlich von zwei der insgesamt drei SS-Lagerkommandanten, die in Mühlhausen Dienst versahen) genauer beleuchten und dabei die Vielfalt ihrer Verhaltensweisen aufzeigen. Dies reicht von der Brutalität nicht weniger männlicher und auch weiblicher Aufsichtspersonen bis zu einem SS-Sanitätsdienstgrad, der mit dem französischen Häftlingsarzt befreundet war, sich mehrfach für die Gefangenen einsetzte und dabei half, Briefe und Lebensmittel zu schmuggeln.

Die Darstellung achtet darauf, das Schicksal der Gefangenen nach der Räumung beider Lager bei Kriegsende nicht zu vernachlässigen. Infolge der Recherchen besteht relative Gewissheit über den Tod von mehr als 100 Gefangenen an den Folgen der Gefangenschaft, mehrheitlich nach der Verlegung nach Bergen-Belsen (Frauen) oder Buchenwald und teilweise von dort in andere Lager (Männer). Exemplarisch blickt die Betrachtung über die Befreiung hinaus und kann so partiell die Spätfolgen der Gefangenschaft beleuchten. In einer Reihe von Fällen konnte die Strafverfolgung ehemaliger Mitglieder des Wachpersonals nachgezeichnet werden, wobei auffällt, dass insbesondere eine relevante Zahl weiblicher Aufsichtspersonen inhaftiert wurde. Eine Betrachtung des weiteren Schicksals der ehemaligen Einsatzorte, insbesondere des als Kaserne der Nationalen Volksarmee genutzten Frauenaußenlagers am Stadtwald – gestützt auf bisher nicht ausgewertete Akten der NVA – rundet die Darstellung ab.