Die mittelalterliche Reichsstadt Mühlhausen

Am Übergang alter Fernwege über die Unstrut entstand im 8./9. Jahrhundert eine erste Siedlung, deren Wassermühle namengebend für den Ort wurde. Als Königspfalz tritt Mühlhausen von 967 an in schriftlicher Überlieferung hervor. Das bedeutendste Ereignis der Reichsgeschichte, das hier stattgefunden hat, war die Wahl des Staufers Philipp von Schwaben zum König am 8. März 1198. Jahrzehnte zuvor war Mühlhausen bereits zur Stadt gewachsen, in der schließlich die Königspfalz völlig aufgegangen ist. Die heutige Kernstadt besteht aus der älteren Unterstadt um St. Blasius (seit der Reformation „Divi-Blasii“) und der jüngeren Oberstadt um St. Marien. Beide Quartiere umschloss vom frühen 13. Jahrhundert an eine Stadtmauer von fast 3 km Länge, die noch heute weitgehend erhalten ist. Das Mühlhäuser Rechtsbuch aus dem 2. Viertel des 13. Jahrhunderts als ältestes Stadtrechtsbuch in deutscher Sprache gehört zu den wertvollsten Schriftzeugnissen im Stadtarchiv aus der Frühzeit Mühlhausens als „dis richis ſtat“. Von 1251 an wandelte sich die Verfassung Mühlhausens tiefgreifend. An Stelle von königlichen Dienstleuten übernahm ein Rat als genossenschaftliches Vertretungsorgan der Bürgerschaft das Stadtregiment. Der Wandel machte Mühlhausen zur eigentlichen Reichsstadt, einem Ort im Reich unter königlicher Oberherrschaft aber mit eigener Ordnung im Inneren und größtmöglicher Souveränität nach außen. Diesen Status konnte die Stadt trotz Krisen bis 1802 bewahren. Mühlhausen gehörte noch am Ende des Alten Reichs zur klein gewordenen Gruppe der Reichsstädte.

Die Stadt an der Unstrut erlebte bis ins ausgehende Mittelalter eine lange währende Phase enormen Wachstums. Die ausgedehnte Kernstadt, die schon im 14. Jahrhundert angelegten Vorstädte, die zahlreichen gotischen Kirchen, mehrere Klöster und Hospitäler, das historische Rathaus und weitere öffentliche Bauten sind Zeugnisse wirtschaftlicher Prosperität und gewachsenen Bürgerstolzes. In der Reformationszeit wurde Mühlhausen 1523 bis 1525 Wirkungsstätte radikaler Kirchenreformer wie Heinrich Pfeiffer und Thomas Müntzer und Zentrum gewaltsamer Auseinandersetzungen mit der überkommenen Obrigkeit. Die Niederlage der Aufständischen im Deutschen Bauernkrieg im Mai 1525 hatte für Jahrzehnte den Verlust reichsstädtischer Freiheitsrechte zur Folge, bis ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch einmal eine Blütezeit begann. Diese endete im Dreißigjährigen Krieg, den die Stadt äußerlich unversehrt überstand, in dem sie aber durch Bevölkerungsverluste und hohe Zahlungen an die Kriegsparteien nahezu ruiniert worden war. Das Stadtbild veränderte sich danach vor allem durch Neubauten in Folge von Stadtbränden. Eine solche schwere Katastrophe ereignete sich gerade, als Johann Sebastian Bach 1707 als Organist nach Mühlhausen berufen wurde. Er blieb nur ein Jahr, hat aber durch sein Wirken und mit seinen Kompositionen tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen.

Die lange reichsstädtische Epoche Mühlhausens ging am 5. April 1802 mit der Besetzung durch preußische Truppen zu Ende. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts erlebte Mühlhausen noch einmal einen enormen Aufschwung. Die Industrialisierung ließ die Stadt beträchtlich wachsen. Die mittelalterlichen Vorstädte wurden erst zu dieser Zeit dicht besiedelt. Neue Stadtquartiere entstanden vor und nach dem 1. Weltkrieg. Die Kernstadt bewahrte aber ihren mittelalterlichen Charakter, auch weil Magistrat und Bürgerschaft der Erhalt der vielen Baudenkmäler, insbesondere der Kirchen und der Stadtmauer, immer ein besonderes Anliegen war.

Das Ende der ersten deutschen Demokratie 1933 bedeutete auch in Mühlhausen politische Unterdrückung und Verfolgung, Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung vieler Bürgerinnen und Bürger, schließlich Ausbeutung durch Zwangsarbeit, Not und massenhaftes Sterben im 2. Weltkrieg. Mühlhausen entging aber dem Schicksal völliger Zerstörung. In der Mangelwirtschaft der DDR blieb der Erhalt der historischen Bausubstanz ein langfristig unlösbares Problem. Doch das Jahr 1975 mit seinen staatlichen Feierlichkeiten aus Anlass von 450 Jahren Deutscher Bauernkrieg erwies sich als Glücksfall für Mühlhausen, da an der Wirkungsstätte Thomas Müntzers erhebliche Mittel in die Denkmalpflege flossen. Trotzdem waren Abriss und Neubebauung weiter Teile von Innenstadt und historischen Vorstädten beschlossen und teilweise umgesetzt, als die Friedliche Revolution von 1989 den politischen Umbruch einläutete und die Deutsche Wiedervereinigung neue Möglichkeiten für die Altstadtsanierung eröffnete. Trotz tiefer Umbrüche, die auch Mühlhausen erlebte, bietet die Stadt heute ein großartiges Ensemble historischer Bauten. Wie kaum an einem anderen Ort ist in Mühlhausen eine mittelalterliche Reichsstadt zu erleben, die mit all ihren Veränderungen bis in die Gegenwart zur Entdeckungsreise einlädt.