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MÜHLHÄUSER HERINGSESSEN: Die Chronik der großen Spende

Stadtgeschichte prägt Stadtidentität

Das Engagement in unserer so vielseitigen Vereinslandschaft ist von unschätzbarem Wert für das Zusammenleben in unserer Stadt. Gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt sind heute gefragter denn je – und das war im Mittelalter nicht anders. So schaffte es die Mühlhäuser Bürgerschaft im Jahr 1251 am Freitag vor Palmsonntag mit vereinten Kräften, einen feindlichen Angriff nach Art des Trojanischen Pferdes abzuwehren.

Dieser Erfolg verschaffte den Mühlhäusern eigene Freiheitsrechte und prägte die Erinnerung der Reichsstadt jahrhundertelang. Zum Gedenken an jenen schicksalhaften Tag entstand nach 1251 die Tradition einer Speisung mit Brot und Hering, die am Freitag vor Palmsonntag am heutigen Lindenbühl stattfand – die sogenannte „Große Spende“. Diese gab es bis Mitte des 16. Jahrhunderts, geriet dann jedoch in Vergessenheit.

Nun ist es an der Zeit, diesen Brauch wieder aufleben zu lassen. Die Stadt Mühlhausen möchte dies erstmals am Freitag vor Palmsonntag 2024 gemeinsam mit der Bürgerschaft mit einem Heringsessen in der historischen Rathaushalle tun. Jährlich werden dabei – in Anlehnung an die Jahreszahl 1251 – 51 Bürgerinnen und Bürger für ihr unermüdliches Engagement für die Stadtgemeinschaft geehrt. Jede Mühlhäuserin und jeder Mühlhäuser kann nur einmal im Leben geladen werden.

Um jene 51 Personen auszuwählen, werden jährlich aus der Liste aller Vereine im Stadtgebiet Mühlhausen 51 ausgelost. Diese ausgelosten Vereine sind dann wiederum gefragt, eine Person aus ihrer Mitte zu benennen, welche diese einmalige Einladung in diesem Jahr verdient.

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Stadtgeschichte prägt Stadtidentität

Am Freitag vor Palmsonntag des Jahres 1251 versuchten adelige Herren die Stadt Mühlhausen zu erobern. Auf Getreidewagen verborgen war eine Vorhut eingedrungen und hatte Stadttore besetzt, um die Hauptstreitmacht einzulassen. Die Bürger der Stadt waren aber wachsam und riefen mit Glockengeläut zu den Waffen. Sie trieben die Angreifer in die Flucht, die 13 Erschlagene zurücklassen mussten. Die Toten wurden in einem Graben verscharrt. Der Sieg bewahrte Mühlhausen vor Fremdherrschaft. Zum Dank wurden der Bürgerschaft vom König als Stadtherrn Freiheitsrechte privilegiert. Zur Erinnerung an diesen schicksalhaften Tag entstand die mittelalterliche Tradition einer Armenspeisung mit Brot und Hering am Freitag vor Palmsonntag – die „Große Spende“. Die erfolgreiche gemeinschaftliche Abwehr des Eroberungsversuchs vom 7. April 1251 sicherte Mühlhausens Verbleib bei König und Reich, ermöglichte zukunftsträchtige Reformen der Verfassung im Inneren und prägte die Erinnerung der Reichsstadt jahrhundertelang bis zur Reformation.

7. April 1251 | Freitag vor Palmsontag

militares viri contra regiam villam Molhusen conspirantes
„Kriegsleute hatten sich gegen die Königsstadt Mühlhausen verschworen“

Die Erfurter Peterschronik berichtet über den Angriff auf Mühlhausen, die Verteidigung durch die Bürger und die Stiftung der Großen Spende.

Quelle: SLUB Dresden| Digitale Sammlungen | Mscr.Dresd.K.316

August 1251

iuxta devotas supplicaciones eorundem civium duximus

„gemäß den ehrfürchtigen Bitten jener Bürger bestimmten wir”

Aus Dank für die Verteidigung der Stadt garantierte König Konrad IV. Mühlhausens Rang als Reichsbesitz und privilegierte die Bürgerschaft mit Freiheitsrechten.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 0/18

officia civitatis in ipsorum manibus relinquenda

„die städtischen Ämter in ihren Händen zu belassen“

Den Bürgern verlieh der König auf Zeit Gericht, Zoll und Münze, um mit den Einnahmen die Stadtmauer zu vollenden. Daraus entwickelte sich eine städtische Selbstverwaltung von Dauer.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 0/19

14. Dezember 1251

Acta in presencia consulum civitatis Mulehusen

„Geschehen in Gegenwart der Ratsherren der Stadt Mühlhausen“

Erstmals legitimierte der Rat einen Rechtsakt bei Einrichtung des Beurenhofs. Als Vertretungsorgan der gesamten Bürgerschaft betrieb der Rat den Wandel Mühlhausens zur Reichsstadt.


Foto (c) Christian Habel

22. März 1252 | Freitag vor Palmsonntag

ut per hoc habeatur perennis recordacio

 „dass dadurch eine ewige Erinnerung bewahrt werde“

Am Jahrestag des Sieges stifteten die Bürger eine Armenspende als religiöses Stadtfest. Immerwährend sollte an die in Gemeinschaft überwundene Gefahr erinnert werden.


Quelle: StadtA Mühlhausen, 0/21

de eiusdem molendini elemosine consolacionesque pauperibus inpendantur

„von dieser Mühle werden die Trost- und Almosengaben aufgewendet“

Die Einnahmen der Mühle am Entenbühl wurden für die Armenspende genutzt. Das später erneuerte Bauwerk ist heute verschwunden.


Quelle: StadtA Mühlhausen, 641/3, Nr. 13 (Foto: Otto Schulz, um 1900)

1253 bis 1552 | Freitag vor Palmsontag

Daher von E. E. Rathe zum Gedächtniß auf Freitag vor Palmarum eine Spende geordnet, jährlich im Spendegraben zu geben

Noch der Chronist Thomas wusste 1727, dass am heutigen
Lindenbühl die Armenspeisung zur Erinnerung an den Sieg
von 1251 abgehalten wurde.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 643/3, Nr. 50

Zwischen dem Felchtaer Thor und dem Neu Pforten Thore ist der Spendegraben, genennent, weil allda eine Spende ist gehalten worden, da jeder Person ein Brot und ein Häring gegeben worden

Der Spendegraben als Teil der Stadtbefestigung wurde bis 1897 verfüllt.

StadtA Mühlhausen, 643/3, Nr. 15/1

1500 | Freitag vor Palmsontag

Ad Stipam | „Für die Spende“

Die Jahresrechnungen der Stadt verzeichnen einzeln die
Ausgaben für die Große Spende. Die Kosten für Armen-
speisung und Prozession trug die Stadtkasse. Um 1500
war die Tradition ungebrochen, der Ursprung aber
weitgehend vergessen.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 2000/18

vor dem 18. März 1524 | Freitag vor Palmsonntag

dieweil auch manch undankbarer Mensch der Almosen ohne Danksagung Gottes nimmt, ist von den 8-Mann für gut erachtet worden, eine solche gemeine Spenda nachzulassen

In der Frühreformation erzwang der Bürgerausschuss der Achtmänner das Ende der Großen Spende.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 61/14

vor dem 8. April 1552 | Freitag vor Palmsonntag

Die spende soll dis Jars underpleiben

Im wieder katholisch gewordenen Mühlhausen lebte die Große Spende ab 1548 nochmals auf. 1552 setzte sie der Rat aus. Sie wurde nie wieder eingeführt. In der Reichsstadt schwand die Erinnerung an die Anfänge von 1251.

Quelle: StadtA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3

22. März 2024 | Freitag vor Palmsonntag

Im März 2023 wurde das Markenkonzept der Stadt Mühlhausen vorgestellt. Es rückt die wiedergewonnene Bedeutung der Ereignisse vom 7. April 1251 für die Mittelalterliche Reichsstadt in den Fokus. Bei „Brot und Hering“ wurde im Rahmen der Veranstaltung angekündigt, das traditionelle Heringsessen wieder einzuführen. Zum historischen Datum von 1251, am Freitag vor Palmsonntag, lädt die Stadt Mühlhausen Vereinsmitglieder ein, die sich im Ehrenamt besonders für die Stadtgemeinschaft engagieren.

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